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GREIFBARE CHANCE

Brooke Raboutou hatte nicht damit gerechnet, sich für Tokio zu qualifizieren. Nun, da sie es ins Team geschafft hat: Wird sie mit ihrer puren, jugendlichen Leidenschaft fürs Klettern die Konkurrenz abhängen?

Brooke Raboutou ist der klassische Underdog. Die Neue im Team, das Nachwuchstalent mit ungebremster Energie. Gerade noch führte sie die Jugendwettbewerbe im Klettern an – ein Jahr später qualifiziert sie sich für Tokio. Brooke hatte gerade ihr Studium begonnen, als sie sich ihren Platz im US-Team der Kletterinnen sicherte und im zarten Alter von gerade mal achtzehn Jahren vor dem größten Wettbewerb ihres Lebens stand. Nach einer herausragenden Leistung bei der Weltmeisterschaft 2019, schaffte es Brooke als erste Kletterin ins US-Team.

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Zu sagen, dass Brooke diese Entscheidung überraschte, wäre eine krasse Untertreibung. „Das ist total verrückt“, sagte sie damals. „Ich habe absolut nicht damit gerechnet. Ich bin total geflasht, aber ich wäre auch sicher nicht enttäuscht gewesen, wenn es nicht passiert wäre.“ Im Gegensatz zu den anderen Kletterinnen, die seit Jahren auf genau diesen Wettbewerb hinarbeiten, war Brooke in der angenehmen Situation, wenig bis gar keine Erwartungen an die Qualifikation zu haben.

Klettern wird bei seinem olympischen Debüt in Tokio als neues Highlight Zuschauer aus der ganzen Welt vor die Bildschirme locken. Nachwuchssportler, die zu Beginn ihrer Karriere nichts zu verlieren haben, sind immer spannende neue Hoffnungen für ihren Sport. Für die gefeierten Favoriten, die ihren Platz verteidigen müssen, werden vielversprechende Nachwuchstalente jedoch schnell zur Bedrohung. Wird Brooke für Überraschungen sorgen und mit ihrer jugendlichen Energie einen Weltrekord einheimsen können? Oder werden sich am Ende doch die erfahrenen Athletinnen durchsetzen?


EIN KIND DER KLETTER-ELITE

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Geboren wurde Brooke in Boulder, im US-Bundesstaat Colorado. Wie passend ist doch der Name ihres Geburtsorts angesichts des Sports, in dem sie einmal so viel Talent zeigen würde. Brookes Eltern waren beide Weltmeister im Klettern. Ihre Mutter war eine echte Pionierin des Frauensports, zu einer Zeit, in der die Kletterszene noch sehr männerdominiert war. Es ist wenig überraschend, dass Brooke und ihr älterer Bruder von frühster Kindheit an ans Klettern herangeführt wurden. Es gibt Fotos von Brooke, auf denen sie noch in Windeln am Kletterseil zu sehen ist. Und die Geschwister zeigten bald überragendes Talent.

Ich wurde in den Klettersport hineingeboren, daher musste ich gut sein.

Im Alter von neun Jahren brach Brooke bereits sämtliche Rekorde und kletterte Boulderrouten mit einem Schwierigkeitsgrad, der auch für erwachsene Profis eine Herausforderung war. Als Teenager führte sie die Jugendmeisterschaften an und zeichnete sich durch ein Tempo und eine Präzision aus, die für ihr Alter überragend waren. „Ich wurde in den Klettersport hineingeboren, daher musste ich gut sein“, sagt Brooke lachend.

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Man würde meinen, dass es zur Belastung werden kann, zwei professionelle Kletterer als Eltern zu haben – die Elite einer neuen olympischen Disziplin, die lange für ihren Platz bei Olympia gekämpft hat. Aber Brooke sieht darin vor allem die Vorteile. „Dass meine Eltern Weltmeister sind, finde ich toll und es macht mich stolz“, sagt sie. „Durch sie bin ich überhaupt so weit gekommen und ihr Rat ist in Wettkämpfen ein riesiger Vorteil. Sie haben mir mit ihrer Erfahrung vor allem auch geholfen, mental stark zu werden. Mein Vater sagt immer: ‚Beim Klettern gibt es nur dich und die Wand … konzentriere dich auf das, was du gerade tust.‘“

Meistens kann ich vor einem Wettkampf nicht schlafen, weil ich so gespannt bin auf die neuen Routen.

Mit der Hilfe ihrer Eltern gelingt es Brooke, sich nicht zu sehr unter Druck zu setzen. Stattdessen fokussiert sie ihre Energie instinktiv auf ihre Leistung. „Meistens kann ich vor einem Wettkampf nicht schlafen“, erzählt sie. „Ich bin so gespannt auf die neuen Routen und freue mich darauf, mein Bestes zu geben.“


AUSGLEICH FINDEN

Brookes Eltern sind ihr bei Wettkämpfen vor allem eine mentale Stütze. Aber sie haben noch etwas viel Wichtigeres in ihr geweckt: Eine echte Liebe fürs Klettern, die weit über ihre Leistung an der Wand hinausgeht. „Als Kind habe ich nicht trainiert“, so Brooke. „Ich bin einfach geklettert. Bis heute besteht mein Training hauptsächlich aus Klettern.“

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Anders als für viele ihrer Konkurrentinnen, die viele Stunden beim Cross-Training in der Halle verbringen oder Übungen an der Wand wiederholen, zählt für Brooke vor allem die Freude am Klettern. Entweder probiert sie drinnen neue, vom Parkour inspirierte Sequenzen aus oder kombiniert einhändige Klimmzüge mit kraftvollen Boxbewegungen. Manchmal fährt sie auch mit einer Freundin in einen der nahegelegenen Nationalparks und genießt dort das Bouldern in der freien Natur – fernab von neonfarbenen Plastikgriffen. Das ist natürlich vor allem körperliches Training. Gleichzeitig trainiert sie dabei aber auch, schnell zu reagieren und flexibel zu bleiben, wodurch ihr Training nicht langweilig wird. Genau das ist Ausdruck ihres jugendlichen Spirits, der sie zu dem vielversprechenden Talent macht, das man jetzt auf dem Schirm haben sollte.

Wir waren nie eine Familie, die Strandurlaube macht. Wir sind einfach immer geklettert und ich fand’s toll.

Outdoor-Touren sind für Brooke immer ein besonderes Highlight. Brookes Vater ist Franzose, deshalb verbrachte die Familie ihre Sommerferien in Frankreich. Da entstand auch ihre große Leidenschaft fürs Outdoor-Klettern. Sie wohnten in den Sommermonaten auf dem Land in der Nähe von Toulouse, wo sie inmitten von atemberaubender Natur klettern konnten. „Wir waren nie eine Familie, die Strandurlaube macht, wir sind einfach immer geklettert und ich fand’s toll“, erzählt Brooke.

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Für Brooke waren Wettkämpfe immer nur ein Teil des Sports. „Das ist einer der Gründe, warum ich Klettern so liebe: Es geht nicht nur um den Wettkampf“, so Brooke. „Ich liebe die Natur, deshalb gibt mir der Sport so viel mehr.“


ÜBER AUFSCHUB UND POSITIVEN SPIRIT

Zu Beginn der Pandemie im letzten März hatte Brooke ein einschneidendes Erlebnis, als sie beinahe in Großbritannien festgesessen wäre. Sie hatte gerade den dritten Platz bei einem Wettbewerb gewonnen. Etwa eine Stunde von Leeds entfernt – jenem Ort, an dem ihre Mutter 1989 ihren ersten Weltcupsieg geholt hatte. Plötzlich verhängten die USA jedoch ein Einreiseverbot aus Europa. Sich an überfüllten Flughäfen nach Hause durchzuschlagen, während sich ein Virus auf der ganzen Welt ausbreitete, war für sie eine „beängstigende und bedrohliche“ Erfahrung.

Aber Brooke behielt ihren positiven Spirit. Nach einer Woche hatte sie sich mit der neuen Situation arrangiert und begann, ihre eigene Version von Quarantäne-Videos aus der Reihe „Action-Sportler zuhause“ zu drehen. Darin war sie zu sehen, wie sie Treppen als Hängebalken, einen Steinkamin als Felswand und ihre Arbeitsplatte in der Küche als Überhang einsetzte. Es machte ihr Spaß, diese Clips zu drehen – eine willkommene Ablenkung in Zeiten des Lockdowns. Auch, als sie einige Tage später erfuhr, dass die Olympischen Spiele verschoben würden.

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Brooke hat sich im letzten Jahr auf ihr Wirtschaftsstudium konzentriert und die zusätzliche Zeit für die weitere Vorbereitung auf Tokio genutzt. Und natürlich ist sie viel geklettert, drinnen aber vor allem auch draußen. Dabei erlebte sie so einige Abenteuer, wie zum Beispiel einen anstrengenden Trip zu den Red Rocks in Nevada, wo sie ein paar schwierige neue Boulderrouten ausprobierte. Dieses Erlebnis beschrieb sie als „mühsame Wochen des Scheiterns …“, aus denen sie herausging, ohne ihre Ziele wirklich erreicht zu haben, wie sie auf Instagram berichtete.

Brooke hat aber keine Angst vor dem Scheitern und plant bereits ihren nächsten Trip nach Nevada. Ob es für Brooke um bevorstehende Wettkämpfe oder herausfordernde neue Bouldertouren am Felsen geht – für sie ist klar: „Meine Reise geht gerade erst los. Es wartet noch so viel mehr auf mich.“

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